Beipackzettel – und ihre
Nebenwirkungen
Zu Risiken und
Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und
fragen Ihren Arzt oder Apotheker!
Diesen Hinweis erleben Sie immer, wenn über
Medikamente öffentlich etwas gesagt wird. Bei
Beipackzetteln haben Sie diesen Hinweis noch nie
erlebt. Warum eigentlich nicht? Haben Beipackzettel
etwa keine Nebenwirkungen? Oder doch welche?
Meine Meinung, dass Beipackzettel ganz erhebliche
Nebenwirkungen haben können, will ich Ihnen
begründen. Dazu muss ich etwas ausholen:
Von Antidepressiva (Mittel gegen Depressionen,
Energielosigkeitskrankheit, Angstkrankheiten und
zahlreiche Leiden, die vom Seelischen aus auf den
Körper schlagen) wissen wir, dass ihre Erfolgsquote
zwischen
70% und 80% liegt. Wenn im Rahmen einer
Medikamentenstudie die Wirksamkeit gegen
Scheinmedikamente (solche, die genauso aussehen und
genauso schmecken, aber keinen Wirkstoff enthalten)
getestet werden, hat die Wissenschaft folgendes
Ergebnis gefunden: Die Scheinmedikamente haben einen
Wirkerfolg bei etwas 25% aller Anwendungen. Das ist
erstaunlich, sehr erstaunlich sogar, denn eigentlich
sollte ein Medikament ohne Wirkstoff auch keine
Wirkung haben, auf alle Fälle aber nicht 25%! Und
worauf beruht diese Wirkung, die ja eigentlich
unlogisch, unverständlich und vielleicht sogar
unvernünftig erscheint? Beruht die Wirkung nur auf
Einbildung?
Ich fürchte ja. Und damit ist der wissenschaftliche
Beweis angetreten, wie viel die Einbildung bewirken
kann. Die Ergebnisse der Wissenschaft weisen noch
ganz andere Daten auf: Wir können nicht nur mit
Scheinmedikamenten solch erstaunliche Wirkungen
zustande bringen, dass man diese fast kassenfähig
machen sollte! (Auf alle Fälle wären sie viel, viel
billiger als die wirkstoffhaltigen Medikamente!) Wir
wissen, dass Scheinmedikamente auch alle
Nebenwirkungen zur Folge haben können, die durch die
richtigen Medikamente ausgelöst werden, also
Schwindel, Neigung zu Ohnmachten, Kopfschmerzen,
Magenübelkeit, Brechreiz, tatsächliches Erbrechen,
Müdigkeit, inneres Zittern.
Wenn Scheinmedikamente so erhebliche Wirkungen und
Nebenwirkungen haben können, die wir der Einbildung
zuschreiben müssen oder besser: den inneren
Erwartungen, die dadurch im Menschen gesetzt werden,
dann muss
eine solche Wirkungs- und Nebenwirkungsrate auch für
die Beipackzettel gelten, die ja ebenfalls
Erwartungen setzen.
Sehr häufig erlebe ich folgendes Dilemma: Eine
Patientin/ ein Patient nimmt von einem Präparat die
erste, niedrig dosierte Tablette. Sie oder er
reagiert prompt mit Nebenwirkungen. Jetzt muss ich
als verordnender Arzt mir überlegen: Liegt das
voraussichtlich am Wirkstoff? Ist es eine
unspezifische Nebenwirkung, die auch ein
Scheinmedikament hervorgerufen hätte?
Oder ist es eine Folge der Erwartungshaltung, die
durch den Beipackzettel erzeugt wurde? In aller
Regel gibt es auf diese Fragen keine sichere
Antwort, sondern nur eine sichere Konsequenz: Die
Behandlung wird mit diesem Medikament sofort
abgebrochen, und eine ernsthafte therapeutische
Chance ist vertan.
Schade eigentlich!
Sie haben natürlich jedes Recht, sich durch das
Lesen der Beipackzettel alle darin aufgeführten
Nebenwirkungen einzufangen.
Ihr Dr. vom Brocke